Kurz vor meinem zwanzigsten Geburtstag hatte ich eines der einprägsamsten Party-Gespräche meines Lebens. Ich unterhielt ich mit einer jungen Frau und auf die Frage, was sie denn sonst so mache, stellte sie lapidar fest: „In meiner Freizeit drehe ich Pornos”.
Sofort erlebte ich welche verheerenden Auswirkungen ein plötzlicher Testosteronstoß auf das männliche Hirn hat. Es ist weniger die Grammatik die Probleme macht, Mann kämpft eher mit einem Totalverlust der Muttersprache. Nachdem ich mir keine längeren Sätze zutraute, stammelte ich nur: „Wieso?” Sie meinte, weil sie so viele unverbindliche Partner hätte und es mit jedem ja auch etwas besonderes sein kann. Kann man sich vorstellen, dass ich über dieses Gespräch noch lange nachgedacht habe?
Tatsächlich prägt mich dieses Gespräch heute noch – doch anders, als man es vermuten mag. Die Frage „Was, wenn jeder Mensch, den ich treffe, etwas besonderes in meinem Leben sein kann?”, lässt mich seither nicht in Ruhe.
Vorbild Casanova?
Eine ähnliche Frage fand ich damals auch in den Erzählungen von Giacomo Casanova. Heute finde ich Casanova sollte ein Vorbild für alle Netzwerker sein, denn von dem venezianischen Verführer können wir viel lernen.
Ähnlich wie meine Partybekanntschaft glaubte auch er, dass in jedem Menschen etwas besonderes zu finden sei. Er war unglaublich neugierig, was ihm viele Probleme bereitete, uns aber mit wunderbaren Ideen zurücklässt:
„Jeder Mensch trägt ein geheimes Glockenspiel in der Brust, und die Herrlichkeit des Lebens besteht darin, den immer neuen Melodien zu lauschen.“
Casanova über den Wert, neuen Menschen wirklich zu begegnen.
„Liebe besteht zu ¾ aus Neugierde”.
Casanova über die Liebe.
Überlegen wir doch mal: Was wäre, wenn jeder Mensch für uns etwas besonderes sein könnte? Wenn jeder, den ich kennenlerne, mir ein paar Ideen mitgeben kann? Würden dann unsere Gespräche nicht ganz anders ablaufen? Statt bei Netzwerktreffen immer mit den selben Menschen zusammen zu stehen, wäre Partnertausch auf einmal die einzige logische Handlung.
Die Casanova-Denkweise in der Praxis
Im BNI-Team spielte ich für mich das Gedankenspiel noch eine Runde weiter: Was wenn jeder im Netzwerk eine konkrete Frage beantworten könnte? Wie würde das mein Arbeiten verändern? Und dann entdeckte ich: Das geht!
● Es gab einen Druckertechniker. Der Druckertechniker kannte sich auch mit Förderungen aus.
● Ein Finanzberater hat früher bei der Finanzprüfung gearbeitet.
● Der Anwalt ist ein Mountainbike-Freak. Er weiß nicht nur alles über Bikes, sondern er hat auch unglaubliche Teile in seiner Garage stehen, die er auch gern verborgt.
Und damit sind wir beim Kernthema, der zweiten Säule der Sieben-Säulen-Strategie. Diese Säule beschreibt eine kluge Denkweise zu nutzen. Irgendwie finde ich die Denkweise Casanovas für uns Netzwerker enorm klug.
Und die Frauen? Was haben die sich dabei gedacht?
Eines hatte ich nie verstanden: Wieso haben sich all die Frauen mit ihm überhaupt eingelassen? Dass er an keiner echten Beziehung interessiert war, wussten sie doch? War ihnen die Aufmerksamkeit genug?
Rechtsanwalt Obernberger aus Feldkirch, Vorarlberg, half mir hier weiter: „Casanovas Geheimnis war, dass er allen Frauen nicht nur Freuden bereitete, sondern auch ihren sozialen Fortgang sicherte, indem er sie entweder gut verheiratete oder ihnen wichtige Verbindungen schuf. Der Beweis seines Erfolgs ist darin zu sehen, dass er nie von Frauen angefeindet wurde. Mit andern Worten: Er war ein erfolgreicher Schützenjäger, weil er ein ausgezeichneter Netzwerker war.“
Casanova. Ein Enfant terrible und dennoch ein würdiges Vorbild
Casanova wurde mehrfach aus Venedig verbannt, musste nach einem Duell aus Polen flüchten, wurde in Spanien nur aus dem Gefängnis entlassen, weil er versprach das Land (und die Mätresse des Gouverneurs) zu verlassen und wurde vom Französischen König des Hofs verwiesen. Dennoch wurde er vom Papst eingeladen, zum Ritter geschlagen und bekam einen der höchsten Ehrentitel der Kirche und fast alle Höfe, die ihn verbannten, luden ihn später wieder ein. Casanova konnte viele Hebel bewegen.
Der Grund ist simpel: Neugierde für andere Menschen gepaart mit Freude, anderen weiterhelfen zu können. Das machte Casanova zu einem der großen, erfolgreichen Netzwerker.
Eine so simple Denkweise mit dermaßen phänomenalen Resultaten. Vielleicht sollten wir öfter mal den Casanova in uns wecken.