Wenn zwei Menschen denselben Beruf ausüben, sind das Konkurrenten. Ist dann Zusammenarbeit möglich? Dirk Heinrich, Finanzberater, Jürgen Mussinger, ebenfalls Finanzberater, Ralf Klamann, Business-Fotograf, und Christiane Savelsberg, Werbetexterin, sprechen darüber, wie Unternehmen von ihrer Konkurrenz lernen können und Konkurrenten nicht nur gegeneinander arbeiten müssen.
Es lohnt sich, zu Beginn einer Spurensuche ein Wörterbuch zu konsultieren. In diesem Fall das lateinische: Konkurrenz kommt vom lateinischen concurrere und kann mit zusammenlaufen, von allen Seiten herbeieilen übersetzt werden.
Interview zwischen zwei Konkurrenten über ihre Zusammenarbeit
Solcherart gewappnet, fahre ich zum Interviewtermin mit Jürgen Mussinger und Dirk Heinrich. Wir treffen uns oben im Fotostudio von Ralf Klamann, draußen ist es drückend heiß, drinnen auch und so machen wir die Fenster auf, um hin und wieder eine frische Brise Wind abzubekommen. Bis die nächste S-Bahn vorbeifährt. Trotzdem widmen wir uns konzentriert und mit Humor unserem Thema.
Und tatsächlich: Ralf setzt uns in sein Empfangszimmer und fängt sofort an, für die Fotos aufzubauen – da bleibt uns nichts anderes übrig, als auch sofort ins Gespräch einzusteigen.
C.S: Was ist Vertrauen im Geschäftsleben für euch?
J.M: Vertrauen ist für mich, mich auf jemanden blind verlassen zu können, ohne selbst Bescheid zu wissen und seinen Rat zu befolgen.
D.H.: Für mich ist es das Gefühl, mich in gewissen Situationen in eine Abhängigkeit zu begeben – und damit gut schlafen zu können. Wenn alles gut geht, dann kann man auch in außerplanmäßigen Situationen vernünftig miteinander kommunizieren. Es muss nicht ohne Fehler sein, sondern: Wie geht man miteinander um? Ein Beispiel: Es geht um eine Überweisung, die ich bekommen soll. Ich weiß, dass sie am nächsten Tag da ist.
J.M: Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter – ich bin mir sicher, dass sie überwiesen wird, deswegen kontrolliere ich das nicht.
D.H.: Wenn man eine Zusammenarbeit beginnt, merkt man schnell: Ist es so, wie ich es mir vorgestellt habe, oder ist es nicht so? Ist die Offenheit da? Am Anfang muss man immer einen Vertrauensvorschuss geben.
C.S: Wie habt ihr euch kennengelernt?
D.H.: Wir haben uns nicht direkt durch BNI kennengelernt, sondern durch einen Dritten, mit dem sich die Zusammenarbeit nicht bewährt hat. Da haben wir aber gemerkt, dass unsere Zusammenarbeit so funktioniert, wie wir uns das vorstellen.
J.M: Vertrauen wächst durch Bestätigung. Vertrauen ist nichts anderes als Hypnose. Die Zusammenarbeit funktioniert, löst ein positives Gefühl aus und findet dann wieder statt, und so wächst das Vertrauen mehr und mehr. Irgendwann hört man dann ganz auf zu hinterfragen, denn es funktioniert einfach. Und da sind wir beide in der Zusammenarbeit. Kooperation erfordert dabei diese Vertrauensbasis auf beiden Seiten.
C.S: Was war eure größte Vertrauensprobe? Der schlimmste Fehler? Das klingt alles so harmonisch…
D.H.: Das ist es auch, harmonisch. Bis jetzt, tut mir Leid, kann ich nichts Negatives finden.
C.S: Wie lange arbeitet ihr schon zusammen?
Beide: Zwei Jahre.
J.M: (schmunzelnd) Wenn wir beide zwei Jahre sagen, dann muss es stimmen.
Ich hatte zu Beginn im Latein-Lexikon das Wort Konkurrenz nachgesehen – und finde jetzt, das war eine gute Idee, denn es ist tatsächlich so, dass die beiden Finanzberater demselben Beruf nachgehen, beide selbständig sind und eigene Unternehmen haben. Trotzdem oder wie sie sagen würden gerade deshalb arbeiten sie intensiv und vertrauensvoll zusammen – sie laufen zusammen. Immer mit dem Ziel, dem Kunden das bestmögliche Angebot zu machen. Hm, bin neugierig, was noch kommt.
C.S: Habt ihr denn dieselben Kunden?
J.M: Im Grunde ja, aber da wir beide unser Spezialgebiet haben, ich klassische Immobilien, insbesondere Denkmal als Investment zum Steuern sparen und Dirk Immobilienbeteiligung als Geldanlage, wissen wir, in welcher Situation der Kunde zu wem gehen sollte. Wir wissen auch, dass wir beide dieselben Kriterien zur Qualität unserer Produkte haben – und dies aber in dieser Breite alleine niemals so leisten könnten.
D.H: Wir haben Vertrauen was die Personen betrifft, was die fachliche Kompetenz angeht – und wenn Jürgen ein Produkt geprüft und für gut befunden hat, dann ist das auch für mich gut. Dann kann ich es mit ruhigem Gewissen verkaufen. Weil ich mich auf seine Fachkompetenz verlasse.
C.S: Das heißt, eure Möglichkeiten vergrößern sich durch die Zusammenarbeit statt sich zu verkleinern?
D.H.: Ja, genau.
J.M: Wir haben beide ein großes Wissen was die Finanzen betrifft, haben beide aber jeweils Bereiche, wo nur einer von uns in großer Detailtiefe Bescheid weiß, weil es einfach so eine Menge Wissen ist.
D.H.: Deswegen ist es hier gut, unser Wissen durch unsere Zusammenarbeit einfach zu verdoppeln, schon rein zeitlich betrachtet ist das ein Riesenvorteil. Gemeinsam ist man einfach stärker.
C.S: Warum belasst ihr es nicht dabei: Ich habe mein Produkt verkauft, damit ist mein Job getan?
D.H.: Weil es nicht im Interesse des Kunden ist. Normalerweise möchte er über die gesamte Bandbreite informiert werden – und dann ist es gut, Jürgen an der Hand zu haben. Dann muss ich keinen Bauchladen an Produkten anbieten, sondern kann mich auf meine Stärke konzentrieren und mit Jürgen zusammen auf eine gute Basis stellen. Ich bin in meinem Bereich tief genug in der Materie und verlasse mich in den anderen Bereichen auf Leute, die in diesen Bereichen absolut Bescheid wissen.
J.M: Durch meine Vorsorgevollmachten kenne ich an die 400 Finanzberater und da ist kein Produkt dabei, bei dem ich sagen müsste: Ist gut, habe ich aber nicht im Angebot.
C.S: Wenn ihr in einem Bereich der Finanzen, der nicht euer Spezialgebiet ist, einen Berater sucht – wie macht ihr das?
J.M.: BNI. Da gibt es viele Finanzberater, die man fragen kann: Habt ihr davon schon gehört, was sind eure Erfahrungen? Die Rückmeldungen sind immer so, dass zumindest jemand jemanden kennt, der sich damit auskennt. Als es darum geht, ob Finanzberater hohes Ansehen in der Bevölkerung genießen, wird schnell klar, dass dem nicht so ist. Wir befragen auch Ralf Klamann dazu, der die Erfahrung bestätigt, sagt aber auch, dass Empfehlungen an dieser Stelle besonders interessant sind.
R.K: Die Leute freuen sich, wenn man sagt, dieser Finanzberater, der Jürgen Mussinger, dem kannst du vertrauen, der ist seriös, ich kenne seine Geschichte. Gerade da sind Empfehlungen so wertvoll.
D.H.: Ein Stuttgarter Rechtsanwalt hat mich einmal gefragt, ob ich Berater oder Verkäufer bin. Das war am Anfang meiner Selbständigkeit. Diese Frage hat mich lange beschäftigt. Heute weiß ich: Ich bin ganz klar der Berater. Wenn es ums Geld geht, dann geht es um eine hohe Verantwortung – da darf ich keine Produkte verkaufen, sondern muss beraten, was für den Menschen in seiner individuellen Situation das Beste ist.
C.S: Wie sorgt ihr bei euren Kunden für Vertrauen?
D.H.: Durch die Art und Weise, wie wir mit den Kunden sprechen. Wir erklären so, dass die Kunden verstehen, was sie tun.
J.M: Der Kunde muss wissen, was mit dem Finanzprodukt auf ihn zukommt.
D.H.: Zuhören, hinhören und den Kunden ernst nehmen. Auch das beste Produkt passt nicht immer zu den Kunden.
J.M: Vertrauen schaffe ich durch Pünktlichkeit, heute waren wir ja auch pünktlich. Dann ist es wichtig herauszufinden, was will der andere eigentlich? Was gibt es zwischen den Zeilen zu lesen? Und dann aber selber auch ehrlich und authentisch sein, auch mal von etwas abraten. Und das Risiko auch klar benennen. Wir als Berater dürfen auch nicht in furchtbares Fachchinesisch verfallen. Ich werde auch oft gefragt, ob ich selbst auch in dieses Produkt investiert habe. Und natürlich in Bildern sprechen, die der Kunde auch versteht.
C.S: Da kommt eine Ähnlichkeit zur Fotografie und auch zur Texterei zutage – wir versuchen auch, das Besondere, Individuelle der Menschen zu finden, und dann eben zu zeigen.
R.K: In den Gesprächen mit den Kunden geht es darum, das Individuelle zu finden. Dann ist es wichtig zu beobachten. Für meine Fotos muss ich auch zuerst wissen, was die Menschen eigentlich machen, warum sie auf diese Weise handeln? Nur dann kann ich Bilder machen, die eine Geschichte erzählen und faszinieren. Sogar bei Maschinen, die ich fotografiere: Was macht die? Warum braucht ihr die? Das macht es spannend.
C.S: Was macht ihr alle mit Kunden, bei oder mit denen die Chemie nicht stimmt?
Alle: Ich schicke die nach Hause.
J.M.: Wenn die Vertrauensbasis nicht stimmt, kann man nicht arbeiten.
Das waren klare Worte, ein konzentriertes Gespräch. Konkurrenz stärkt also nicht nur das Geschäft, sondern verbindet auch Menschen!